Jahrbuch
Lateinamerika
Analysen und Berichte 28
Medien und ihre Mittel
Herausgegeben
von
Karin Gabbert, Wolfgang Gabbert,
Ulrich Goedeking, Bert Hoffmann,
Anne Huffschmid, Albrecht Koschützke,
Michael Krämer,
Urs Müller-Plantenberg und Juliana Ströbele-Gregor
WESTFÄLISCHES DAMPFBOOT
Inhalt 5
Editorial 7
Medien und ihre Mittel
Sérgio Costa: 14
Der Kampf um
Öffentlichkeit:
Begriffe, Akteure, politische Dynamiken
Rafael Otano und Guillermo Sunkel: 35
Chile: Die Freiheit der Journalisten in den Medien
Bettina Bremme: 56
„Extremsituationen regen sehr zum Erzählen an“
Das lateinamerikanische Kino: Kreativität inmitten von
Krisen und Aufbrüchen
Anne Huffschmid: 73
Eine andere Art zu sehen? Die Camaristas aus Chiapas
Gisela Klindworth: 89
„Das
ist ja wie in der Telenovela!“
Lateinamerikanische Serien als Märchen der modernen Welt
Bert Hoffmann: 106
Zwischen Exklusion und Demokratisierung:
Internet und Öffentlichkeit in Lateinamerika
Resúmenes 125
Summaries 128
Länderanalysen 131
Gaby Weber: 133
Argentinien: Ein Land in Wartestellung
Wolfgang Gabbert: 142
Belize: Eine (fast) lautlose Revolution
Anne Piepenstock, Gonzalo Vargas und Ulrich Goedeking: 149
Vom
Musterland zum Volksaufstand
Die Krise des neoliberalen Modells in Bolivien
Imme Scholz: 161
Brasilien:
Ein Jahr Regierung Lula
Vorsichtige Reformen und viel Kontinuität
Alberto Acosta: 174
Ecuador: Der rasche Wandel
eines Hoffnungsträgers
Enrique Dussel Peters: 184
Mexiko: Fox im Wunderland –
oder Krise as usual?
Margarita López Maya: 197
Venezuela 2002-2003:
Konfrontation und Gewalt
Editorial: Medien und ihre
Mittel
Über Medien und ihre
Mittel zu reden heißt, über Demokratie zu reden. Wenn in der res publica die „öffentliche Sache“ verhandelt werden soll,
dann braucht diese Kommunikation, um öffentlich zu sein. Wenn alle Macht vom
Volke ausgehen soll, dann gehören qualifizierte Information und selbstbestimmte Artikulation zu grundlegenden
staatsbürgerlichen Rechten. Und wenn das demokratische Basisprinzip des „ein
Mensch – eine Stimme“ auch hier gelten soll, dann müssten – schon müssen wir in
den Konjunktiv wechseln – auch bei der Verhandlung dieser öffentlichen Sache
alle Stimmen gleichermaßen Gehör finden können.
In der Realität,
zumal der lateinamerikanischen, werden diese Postulate freilich von den
autoritären Zumutungen der Mächtigen genauso überlagert wie von den
Machtstrukturen und Exklusionsmustern, die Wirtschaft
und Gesellschaft durchziehen. Dies gilt, auch wenn die klassische Abhängigkeit
des Südens vom Norden auf den ersten Blick überwunden scheint: Brasiliens „Globo“-Gruppe oder Mexikos „Televisa“ sind längst global
players des Weltmedienmarktes geworden, die
strategische Allianzen mit US-Unternehmen schmieden, um den wachsenden Markt
der Latinos in den USA zu erobern und deren telenovelas – wie etwa die brasilianische Serie mit
dem trostvollen Titel „Auch die Reichen weinen!“ – noch im post-sozialistischen
Russland zum Quotenhit avancieren.
In Lateinamerika
selbst sind die großen Medienkonzerne politische Machtfaktoren allererster
Ordnung. In Brasilien nimmt allein „Globo“ mehr als
70 Prozent aller Ausgaben für Fernsehwerbung ein und hält mehr Marktanteile als
alle Mitbewerber zusammen. In Mexiko musste der TV-Gigant „Televisa“ sein
langjähriges, unter dem PRI-Regime wohlgeschmiertes
Quasi-Monopol inzwischen mit „TV Azteca“ teilen – von
pluralistischer Medien- und Meinungsvielfalt ist dieses Duopol
gleichwohl Lichtjahre entfernt.
Lateinamerikas
Herren über Fernsehen, Radio und Presse leben in enger Symbiose mit den
wirtschaftlichen und politischen Eliten. Für die Nachrichten, die sie senden,
filtern und kommentieren greift der Satz des US-amerikanischen
Medienwissenschaftlers Danny Schechter „The more you watch, the
less you know“[1]
in oft erschreckender Form. Die offene staatliche
Zensur, die während der Zeit der Militärdiktaturen in den meisten Ländern des
Kontinents die Arbeit der Medien massiv und gewaltsam beschnitt, ist einem sehr
viel komplexeren und subtileren Zusammenspiel von Markt- und Machtstrukturen
gewichen.
Linke Kräfte und
Basisbewegungen schwimmen hier bei ihren Versuchen, sich in der öffentlichen
Sphäre Gehör zu verschaffen, allenthalben gegen den Mainstream
der dominanten Medien an. Dieser „Kampf um die Öffentlichkeit“ geht für die
sozialen Akteure zuallererst darum, in ihren Anliegen gesehen und gehört,
wahrgenommen und als legitim anerkannt zu werden, um von dieser Grundlage aus
Druck auf politische Entscheidungsprozesse entwickeln zu können, woran uns Sérgio Costa in seinem einleitenden
Beitrag für diesen Band erinnert. Während der klassische Prozess des
lateinamerikanischen nation-building den
Nationalstaat als zentralen Kommunikationsrahmen für die Herausbildung einer
homogenen Nationalidentität postulierte, haben sich in den vergangenen
Jahrzehnten vielfältige new publics etabliert, die – sei es aus Sicht von Frauen
oder von lokalen Gemeinschaften, von ethnischen Minderheiten oder von
Homosexuellen – die gleichberechtigte Anerkennung jener Positionen und
Lebensentwürfe einfordern, die von der mainstream-Konzeption
nationaler Identität verdrängt oder ausgeblendet werden.
Für die politischen Demokratisierungsprozesse in
Lateinamerika hatten die Medien vielfach große Bedeutung. In Argentinien etwa waren
es Zeitungen wie die neu gegründete Página/12,
die nach dem Ende der Diktatur in den achtziger Jahren auf einer
Auseinandersetzung mit den autoritären Erbschaften in Politik und Gesellschaft
sowie der moralischen und rechtlichen Aufarbeitung der Verbrechen der Militärs
bestand – und die in den neunziger Jahren die Aushöhlung der Demokratie durch
die neoliberale Korruptokratie Menems anprangerte.
Auch in Mexiko spielte die Presse, allen voran die ebenfalls neu gegründete La
Jornada, eine zentrale Rolle für die politische
Öffnung und trug erheblich dazu dabei, den eisernen Griff der PRI auf mediale
Deutungshoheit, Wahlergebnisse und Machtausübung zu durchbrechen[2].
Wenn La Jornada bis heute den Verlautbarungen
der zapatistischen Guerilla eine verlässliche Publikationsmöglichkeit
bietet, dann ist auch dies ein Indiz dafür, wie weit sich das politische
Meinungsspektrum, das in der öffentlichen Debatte Gehör finden kann, erweitert
hat.
Wie wenig dies allerdings verallgemeinerbar ist, zeigt
der Fall Chile, den Rafael Otano
und Guillermo Sunkel in diesem Band
untersuchen. Ein gesellschaftskritischer Journalismus, wie er am Ende der
Pinochet-Diktatur von der Opposition geleistet wurde, ist in der chilenischen
Presse heute kaum noch zu finden. So paradox es klingen mag, so ist es im Zuge
jenes Prozesses, der die Demokratisierung der Gesellschaft zum Ziel haben
sollte, im Vergleich zu den letzten Jahren der Militärherrschaft zu einer
Einschränkung der ideologischen und kulturellen Vielfalt der Medien gekommen,
so die ernüchternde Bilanz der Autoren.
Spätestens an
dieser Stelle ist gleichwohl davor zu warnen, den Blick nur auf die großen und
etablierten Massenmedien wie Zeitungen und Fernsehen zu reduzieren. Gerade
lokale Radiosender haben eine oft unterschätzte Bedeutung für die Kommunikation
und Artikulation der ökonomisch und sozial marginalisierten Bevölkerung. Für
ethnische Minderheiten erweist sich das lokale Radio dabei oft als das einzige
wirklich interkulturelle Medium. Nicht nur wird dort mit sehr viel größerer
Selbstverständlichkeit als in anderen Medien in der Sprache der indigenen
Gemeinde gesendet, sondern diese ist über ihre kommunalen Strukturen, vielfach
aber auch ganz direkt in Form etwa der so genannten „reporteros
empíricos“ oder „reporteros
campesinos“ aktiv an der Gestaltung des Programms
beteiligt. Auch diese Medien ethnischer Minderheiten sind freilich keineswegs
nur basisdemokratische Bewegungen mit per se fortschrittlichen Inhalten. Den
spektakulärsten Fall in dieser Hinsicht bietet sicherlich Bolivien: In den
achtziger und neunziger Jahren wurden dort ein Radio- und ein Fernsehsender zum
Trampolin für den beispiellosen politischen Aufstieg seines Machers, Carlos Palenque, der mit paternalistischem
Aymara-Populismus zu einem gewichtigen – und kaum
„links“ zu nennenden – Machtfaktor im Land wurde.[3]
Ein auf die
klassischen „Massenmedien“ verengtes Verständnis lässt darüber hinaus nur
kulturelle Ausdrucksformen, sondern auch die alltäglichen dezentralen
Kommunikationsnetze der Bevölkerung außen vor. Das Bild, das sich die
Lateinamerikaner von sich und von der Welt machen, ist ja kein nur über
„Massenmedien“ vermitteltes. Das USA-Bild der Kubaner etwa wird eben nicht nur
von der Parteizeitung „Granma“ auf der einen und
Washingtons Propaganda-Sender „Radio Martí“ auf der
anderen Seite geprägt, sondern genauso (oder mehr noch) durch die zahllosen
Telefonate, Briefe und Erzählungen der in die USA emigrierten Verwandten,
Freunde und Nachbarn – jene massenhafte „one-to-one“-Kommunikation,
die kaum ins Blickfeld der Medienforschung fällt.
Ganz anders stellt
sich dies im Fall des Films dar. Er ist allenthalben als klassisches
Massenmedium anerkannt, auch wenn ein Großteil der lateinamerikanischen
Filmproduktion kaum mehr als ein recht überschaubares Publikum in den
städtischen Mittelschichten ihrer Länder erreicht. Doch Kino hat – wie alle
Künste – eine Tiefenwirkung, die weit über das direkte Publikum hinaus gehen. So wurde der Aufbruch des „Neuen
Lateinamerikanischen Films“ in den sechziger und siebziger Jahren zu einem
Brennglas für das neue Selbstverständnis des Kontinents, auch wenn viele seiner
wegweisenden Filme keine großen Publikumserfolge wurden. In Brasilien etwa ist
Glauber Rocha längst in den Pantheon kultureller
Nationalhelden aufgenommen, auch wenn seine epischen, in Schwarz-Weiß gedrehten
Film-Klassiker wie „Terra em Transe“
nie zu Schlangen vor den Kinosälen führten.
Auch in der
Gegenwart gibt die Entwicklung des Filmschaffens auf ganz eigene Art Aufschluss
über den Zustand der lateinamerikanischen Gesellschaften. Dies gilt
gleichermaßen für die veränderten Produktionsbedingungen wie für Themen und
Bildsprache der jüngsten Filme, wie der Beitrag von Bettina Bremme
anhand von Beispielen aus Argentinien, Brasilien und Mexiko aufzeigt.
Das „Nuevo Cine Latinoamericano“
hatte den Anspruch erhoben, nicht nur andere Filme zu machen, sondern auch das
Medium Film zu verändern. Einer der bekanntesten theoretischen Texte,
geschrieben von Kubas großem Regisseur
Tomás Gutiérrez Alea,
fasste dies unter dem programmatischen Titel „Die Dialektik des Zuschauers“[4]:
Die Einweg-Beziehung zwischen Filmemacher und Zuschauern – hier ein aktiver
„Sender“ von Botschaften, dort passive „Empfänger“ dieser Botschaft – aufzubrechen.
Die im Titel geführte Dialektik meinte, den Zuschauer mit einzubeziehen, ihn
herauszufordern und ihn zu aktivem Tun zu bewegen – bei etlichen Filmen dieser
Zeit war dies der Ruf zur Revolution, bei dem Kubaner Alea
der Aufruf zur kritischen Haltung auch nach der Revolution.
Einer gänzlich anderen „Dialektik des Zuschauers“ auf
der Spur ist der Beitrag von Gisela Klindworth
über die populären Telenovelas. Denn auch bei
diesem prominentesten Genre des lateinamerikanischen Fernsehens, in dem tagtäglich
in immer neuen Wendungen herzzerreißende Liebesdramen über die Bildschirme
zwischen Rio Grande und Feuerland wogen, handelt es sich eben nicht nur um ein
neues „Opium fürs Volk“, wie linke Medienkritiker zuweilen meinen, sondern um
eine vielschichtigere Wechselwirkung zwischen „Erzählern“ und „Zuschauern“. Wo Telenovelas oft abschätzig als „Märchen“ bezeichnet werden,
dann greift Gila Klindworth diese Parallele offensiv
auf, um die Telenovelas als Beziehungsdramen mit
ähnlich ambivalentem Charakter zu analysieren. Schon die Grundstruktur ist
ähnlich: Das polarisierte Ringen zwischen „Gut“ und „Böse“, bei dem man – im
Unterschied zum wirklichen Leben – sich in jeder noch so gefahrvollen oder
tragischen Minute sicher sein kann, dass am Ende das Gute und die Guten siegen.
Dazu kommt die
Möglichkeit, die ganze Gefühlspalette von Mitleid und Liebe, Ängsten und Hass
gegenüber den fiktiven Personen zu erleben und in einem von sozialen
Konsequenzen befreiten fiktiven „Probehandeln“ auszuleben. Das zentrale Thema
der Telenovelas, so Gisela Klindworth,
ist stets die Störung von zwischenmenschlichen Beziehungen. Damit geben die Telenovelas einen Rahmen vor, in dem die von dem Zuschauer
oder der Zuschauerin individuell erlittenen Störungen und Enttäuschungen des eigenen
Beziehungslebens davon befreit werden, als persönliches „Versagen“ zu gelten;
vielmehr werden sie als kollektives, soziales Schicksal erleb- und
verarbeitbar. Indem sich die Zuschauerin mit der „Guten“ als Opfer und als
aufrechter Heldin bedingungslos identifizieren darf, kann sie um die
Hauptfigur, und damit um sich selbst, weinen – und damit auch ihre eigene Würde
behaupten.
Um Würde geht es
auch in einem anderen Beitrag in diesem Jahrbuch zu „Medien und ihren Mitteln“:
der Bilderserie der indigenen camaristas aus Chiapas. Es
ist die Würde derjenigen, die seit Jahrzehnten fotografiert werden – von
Anthropologen und von staatlichen Behörden, von Reportern und von Touristen –
und die nun fotografieren. Nur in der Grammatik ist der Sprung von Passiv zu
Aktiv ein kleiner. Dabei geht es dem Projekt der camaristas,
die im Verein „Lok' Tamayach – Fotógrafos
Mayas de Chiapas“ organisiert sind und deren Archiv
inzwischen über 75.000 Bilder umfasst, nicht um eine simple Umkehrung des
Blicks; wir sehen nicht die Touristen in typischer Tracht bei der Ausübung
ihrer Rituale wie Souvenirkauf oder Fotografieren. Es geht um die Aneignung des
Mediums Fotografie und um einen selbstbestimmten und
selbstbewussten Umgang mit diesem Medium. Es muss offen bleiben, ob und inwiefern
die in diesem Band reproduzierte Fotoserie nun einen „anderen Blick“ zeigt. Für
die camaristas ist der Blick schon deshalb anders,
weil es ein eigener ist. Dabei wird weniger das „Spektakuläre“ fokussiert, als
vielmehr die Dinge, die das eigene Leben bevölkern. Anne Huffschmid
sieht in ihrem begleitenden Text darin die eigentliche Attraktion
dieser Fotografien: dass sie die eigene Welt verfremden – genau hierin liegt
der Unterschied zwischen Kunst und bloßem Dokument.
Die Frage nach der
Transformation politischer Öffentlichkeit, wie sie der Beitrag von Sérgio Costa eingangs aufwirft, wird zum Abschluss des
Analyse-Teils unter einem spezifischen Blickwinkel in dem Beitrag von Bert Hoffmann wieder aufgegriffen, der
die Implikationen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, allen
voran des Internet, für Zugang, Gestaltung und Konfliktstruktur von
Öffentlichkeit in Lateinamerika skizziert. Der herrschende Diskurs fasst die
dramatischen Diskrepanzen in Verbreitung und Nutzung der neuen Informations-
und Kommunikationstechnologien unter dem Begriff der digital divide („digitalen Kluft“), der entsprechende digital
solutions suggeriert. Doch sind die ungleichen
Möglichkeiten zur Nutzung von Internet & Co genauso wenig ein technisches
Problem wie die „Zugang-zu-sauberem-Trinkwasser-divide“,
sondern vielmehr Reflex und Folge der sozialen und ökonomischen Polarisierung
zwischen Nord und Süd und innerhalb der einzelnen Gesellschaften.
In einem ersten
Schritt, so argumentiert der Beitrag, ginge es daher darum, die Nutzung des
Mediums Internet auch für jene Mehrheiten der Gesellschaft zu ermöglichen, die
von dem Zugangsmodell des Nordens – Internetanschluss über den individuellen
Computer am heimischen Schreibtisch – strukturell ausgeschlossen sind. Der
beispielhafte Erfolg der öffentlichen Zugangszentren in Peru unterstreicht,
dass die Lösungsansätze weniger in der Technologie („mehr Computer!“) als
vielmehr im innovativen sozialen Umgang mit der Technologie zu suchen sind.
Auch wenn das technologische Potenzial des Internet nie gekannte Möglichkeiten
bietet, die alte Trennung in wenige „Sender“ und viele „Empfänger“ genauso zu
unterlaufen wie nationalstaatliche Kontroll- und Zensurmechanismen, so bedarf
es doch auch hier immer erheblicher sozialer Emanzipationsprozesse, diese
Möglichkeiten auch tatsächlich für diejenigen nutzbar zu machen, die in den
„alten“ Medienstrukturen „ohne Stimme“ geblieben waren. Auf dem jüngst von der
UNO organisierten „Weltgipfel zur Informationsgesellschaft“ in Genf setzten die
aus aller Welt angereisten Basisgruppen und zivilgesellschaftlichen
Organisationen denn auch mit Macht die Auseinandersetzung um „communication rights“ auf
die politische Tagesordnung – als Teil der universellen Menschen- und
Bürgerrechte und als Prüfstein für die Qualität und soziale Substanz
demokratischer Verhältnisse.
Den Aufsätzen des Analyseteils folgen, wie es
Tradition des Jahrbuchs ist, eine Reihe von ausgewählten Länderberichten, in
diesem Jahr zu Argentinien, Belize, Bolivien, Brasilien, Ecuador, Mexiko,
Venezuela.
Die Auseinandersetzungen um die Präsidentschaft von Hugo Chávez
haben nicht nur die venezolanische Gesellschaft polarisiert. In der hiesigen
kritischen Debatte reicht das Spektrum von denen, die eine politische
Unterstützung des Präsidenten für selbstverständlich und zwingend geboten
halten, bis zu scharfer Kritik an Person, Methoden und Politik von Hugo Chávez. Auch in der Redaktion des Jahrbuches gehen die
Einschätzungen auseinander. Mit Margarita López Maya kommt in dieser Ausgabe des Jahrbuchs eine venezolanische
Autorin zu Wort, die der Regierung Chávez gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt ist -
ein Beitrag, der sicherlich unseren Leserinnen und Lesern ebenso Stoff zur
Diskussion bieten wird wie uns.
Neu und bedauerlich
ist, dass in diesem Band unter den Herausgebern der Name Eleonore von Oertzen fehlt. Sie hat über 13 Jahre das Jahrbuch in
erheblichem Maße mitgeprägt, und uns bleibt, ihr für ihr jahrelanges Engagement
für dieses Projekt ganz herzlich zu danken – und all jene Hannoveraner Schüler
zu beneiden, die nun in den Genuss einer so außerordentlichen Lehrerin kommen.
Und schließlich:
Wenn von Medien und ihren Mitteln die Rede ist, dann möchten wir daran
erinnern, dass das Jahrbuch Lateinamerika Analysen und Berichte seit
einigen Jahren auch von einer Homepage im Internet begleitet wird. Unter < www.jahrbuch-lateinamerika.de > sind nicht nur
Inhaltsverzeichnisse und Editorials früherer Bände zu finden, sondern auch ein
Service-Teil mit den aktuellen sozialen und ökonomischen Basisdaten für alle
großen und mittelgroßen Länder Lateinamerikas und der Karibik.
Bert Hoffmann
[1] Danny Schechter (1998): The More
You Watch, The Less You Know; New York.
[2] Eine aktuelle Analyse dieses Prozesses sowie eine Reihe weiterer lesenswerter Aufsätze zu Lateinamerikas „Medien und ihren Mitteln“ finden sich in der Januar/Februar 2004-Ausgabe der US-amerikanischen Lateinamerika-Zeitschrift „NACLA“, die, in Seelenverwandtschaft zu diesem Jahrbuch, „Media in the Americas“ zum Schwerpunktthema hat.
[3]
Palenque starb 1997 an einem Herzinfarkt; mit seinem
Tod fiel auch seine politische Organisation CONDEPA weitgehend in sich
zusammen. Zum Aufstieg Palenques s.
Archondo, Rafael: Compadres al micrófono: La resurrección metropolitana del
Ayllu. La Paz: Hisbol, 1991
[4] Tomás Gutiérrez Alea (1982): Dialéctica
del espectador; La Habana.